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Ford und der Führer

26. Februar 2008 , Geschrieben von Parents Veröffentlicht in #Wirtschaft

Ken Silverstein, Washington

Ford und der Führer


ZWANGSARBEITER FÜR DIE KÖLNER FILIALE*Neue Dokumente enthüllen die engen Bande zwischen dem US-Autokonzern und den Nazis

Die deutsche Tochterfirma des Ford-Konzerns war während des Zweiten Weltkrieges für Hitlers Kriegführung so unverzichtbar, dass nach Deutschland deportierte Zwangsarbeiter in großer Zahl in der Kölner Filiale arbeiten mussten. Trotz dieser unumstößlichen Tatsache weigert sich das Unternehmen bis heute, an Verhandlungen über Entschädigungen auch nur teilzunehmen. Der nachfolgend dokumentierte Artikel aus der US-Zeitschrift The Nation - erschienen im Januar - zeichnet die enge Liaison zwischen Hitler und Ford nach, die bis in die zwanziger Jahre zurückgeht.

Wir haben Dir einmal geschworen,
Nun sind wir auf Immer Dein.
Wie Bäche im Strom verloren
Münden wir in Dich ein.
Auch wenn wir Dich einmal nicht fassen,
Werden wir mit Dir gehn.
Einst wirst Du uns schauen lassen,
Was Du vor uns gesehn.
Herzen wie erzene Schilde
Haben wir um Dich gestellt.
Und es ist uns, als hielte
Gott durch Dich seine Welt.

Dieses Gedicht stand im April 1940 in einer hausinternen Zeitung der deutschen Tochtergesellschaft der Ford Motor Company. Unter der Überschrift "Führer" erschien es zu einem Zeitpunkt, als Ford die deutsche Firma ganz kontrollierte und zwei seiner Top-Manager im Aufsichtsrat der Gesellschaft saßen. Es war auch die Zeit, als Fords Objekt der Begierde gerade Westeuropa überrannte und Österreich, die Tschechoslowakei und Polen im Osten bereits verschluckt hatte.

Die Lyrik fand sich zwischen Tausenden von Dokumenten, die von der Washingtoner Anwaltskanzlei Cohen, Milstein, Hausfeld und Toll zusammengetragen wurden. Die hatte Ford auf Schadensersatz für eine Russin, eine ehemalige Zwangsarbeiterin, verklagt. Im September verwarf ein Richter in New Jersey die Klage wegen Verjährung. Zwar sprach er Ford nicht frei, ließ aber das Argument der Firma gelten, "eine Aufarbeitung der Tragödien jener Zeit sei immer eine Angelegenheit zwischen Nationen und Regierungen gewesen - das sollte so bleiben".

Ford argumentiert, die Firmenzentrale in Dearborn (Michigan) habe 1941 nach dem Kriegseintritt der USA die Kontrolle über ihr deutsches Werk verloren. Daher sei man für nichts verantwortlich, was die deutsche Tochter während des II. Weltkriegs unternommen habe. Deshalb auch die Weigerung, an den Verhandlungen über Entschädigungszahlungen teilzunehmen. Fords Leiter für globale Operationen, Jim Vella, teilte mit: "Da Ford während des Krieges in Deutschland geschäftlich nicht tätig war und unser Werk in Köln von der Nazi-Regierung beschlagnahmt wurde, wäre die Teilnahme an einem solchen Fonds unangemessen." Dass Ford und eine Reihe amerikanischer Firmen - General Motors und Chase Manhattan eingeschlossen - mit den Nazis zusammenarbeiteten, ist jedoch längst bekannt.

Antisemitischer Firmengründer

Die Großzügigkeit, die das Nazi-Regime Ford Motor entgegenbrachte, fußte auch auf dem Antisemitismus des Firmengründers Henry Ford. Sein Pamphlet "The International Jew: The World's Foremost Problem" erregte in den zwanziger Jahren die Aufmerksamkeit Hitlers. Ford dachte in dieser Zeit über eine Kandidatur für das Präsidentenamt nach, und Hitler erklärte der Chicago Tribune: "Ich wünschte, ich könnte einige meiner schlagenden Verbände zum Aushelfen nach Chicago und in andere amerikanische Groß städte schicken." In Mein Kampf lobte Hitler Ford ausdrücklich. "Die Juden sind es, die die Börsenkräfte der Amerikanischen Union kontrollieren", schrieb er. "Jedes Jahr werden sie mehr zu den Kontrollmeistern der Produzenten in einem Volk von 120 Millionen: nur ein einziger großer Mann - Ford - behält ihrem Zorn zum Trotz volle Unabhängigkeit".

1938 nahm Ford das Großkreuz des deutschen Adlers an, die höchste Auszeichnung des Nazi-Regimes für Ausländer. Sein Deutschland-Geschäft hatte der Autokonzern 1925 mit einem Büro in Berlin eröffnet. Sechs Jahre später bereits war ein großes Werk in Köln entstanden, das wenig später zum Landes-Firmensitz wurde. Ford Deutschland blühte in den Nazi-Jahren, vor allem mit dem Wirtschaftsboom im II. Weltkrieg. Die Verkaufszahlen stiegen zwischen 1938 und 1943 um mehr als 50 Prozent, der Wert der deutschen Tochterfirma verdoppelte sich während des Krieges.

Mitte der Dreißiger trug die Ford-Zentrale in Dearborn zur Profitsteigerung der deutschen Tochter bei, indem sie bei ihr Lieferungen für die Fordwerke in Lateinamerika und Japan bestellte. 1936 blockierte die Nazi-Regierung, um die Auslandsreserven zu schützen, den Kauf von Rohstoffen für die deutsche Tochter. Die Fordzentrale reagierte wunschgemäß - durch die Verschiffung von Gummi und anderen Stoffen nach Deutschland im Austausch gegen deutsche Produkte. Die Nazi-Regierung zwackte 25 Prozent der Rohstoffimporte ab und gab sie an andere Hersteller weiter - mit Zustimmung Dearborns.

Verleugnete Zwangsarbeiter

Einem Bericht der US-Army von 1945 zufolge stellte German Ford bereits vor dem Krieg militärisches Gerät für das Reich her. Die Firma richtete für den Tag der Mobil machung ein Werk für Kriegsproduktion in einer der sogenannten Sicherheitszonen nahe Berlin ein - mit Zustimmung aus Dearborn. Nach Hitlers Invasion in Polen 1939 wurde German Ford einer der größten Fahrzeuglieferanten für die Wehrmacht. Dokumente belegen, dass die Firma auch an die SS und die Polizei lieferte. 1941 stellte German Ford schon keine PKW mehr her, sondern ausschließlich Militärlaster.

Fords Fahrzeuge waren unverzichtbar für die Blitzkriegs-Strategie der Nazis. Ein Drittel der 350.000 Lastwagen der motorisierten Wehrmacht stammten bis 1942 aus dem Kölner Werk - es war für die Kriegführung des Reichs so wichtig, dass die Alliierten es mehrmals bombardierten. Fords aktive Kooperation mit dem Dritten Reich veranlasste die Konkurrenz, auf die nicht-deutschen Eigentümer aufmerksam zu machen. Fords Reaktion bestand darin, einen mehrheitlich deutschen Aufsichtsrat für das Kölner Werk zu ernennen und ihm den politisch korrekten Arier-Titel "Ford-Werke" zu geben.

Im März 1941 emittierte Ford im Kölner Werk neue Aktien und verkaufte sie ausschließlich an Deutsche, wodurch sich der Anteil der Zentrale in Dearborn auf 52 Prozent verringerte. Obwohl die Ford-Werke im Mai 1942 in "Treuhänderschaft" übergingen, verstaatlichten die Nazis Fords deutsches Eigentum nicht - und Dearborn behielt den gesamten Krieg hindurch seine Aktienmehrheit.

In einem Bericht des 1939 ernannten Leiters der "Ford-Werke", Robert Schmidt, heißt es, die Firma habe bereits vor der "Treuhänderschaft" Zwangsarbeiter benutzt. Schmidt sagte, die Gestapo habe mit der Ankunft der ersten Zwangsarbeiter eine wichtige Rolle bei der Überwachung der Werksaktivitäten gespielt. Bis 1943 waren die Hälfte der Arbeitskräfte in den "Ford-Werken" ausländische Gefangene, darunter Franzosen, Russen, Ukrainer und Belgier. Am besten symbolisiert sind die brüderlichen Bande zwischen Ford und den Nazis mit dem Geschenk, das die Firma "dem Führer" im April 1939 zum 50. Geburtstag zukommen ließ: 35.000 Reichsmark.

Robert Schmidt wiederum verwandelte das Werk so erfolgreich in eine Rüstungsbase, dass ihm die Nazis die Auszeichnung "Wehrwirtschaftsführer" verliehen. Sie machten ihn außerdem zum Beauftragten für die Ford-Fabriken im besetzten Belgien, in Holland und im Vichy-Frankreich Pétains.

Zynische Weisswäscher

Beamte des US-Finanzministeriums waren angesichts der Aktivitäten Fords in NaziDeutschland entgeistert. In einem Schreiben an Minister Henry Morgenthau gegen Ende des Krieges heißt es in einer Nebenbemerkung: "Die zunehmende Aktivität der Ford-Tochterfirmen zugunsten der Deutschen stößt bei der Ford-Familie in Amerika auf Lob." Morgenthau antwortete: "Wenn es uns rechtlich und ethisch möglich ist, würde ich die entsprechende Information gern an Senator Truman weiterreichen".

Anfang 1945 verlangsamte sich die Produktion in den "Ford-Werken", doch sie kam nie zum Stehen. Bald nach Deutschlands Kapitulation reisten Ford-Beauftragte aus England und den USA nach Köln zu Inspektion und Zukunftsplanung. 1948 kam Henry Ford persönlich, um den zehntausendsten LKW der Nachkriegsproduktion zu feiern. Zwei Jahre später stellte Ford Germany Robert Schmidt erneut ein, der bei Kriegsende kurzzeitig von US-Truppen festgesetzt worden war. Schmidt hatte in einem Brief nach Dearborn behauptet, er habe die Nazis inbrünstig gehasst. Er war einer von sechs Schlüsselmanagern der Nazi-Ära, die nach 1945 wieder wichtige Funktionen bei Ford ausübten.

Doch der zynische Höhepunkt sollte noch folgen. Vor seinem Untergang hatte das Nazi-Regime den "Ford-Werken" 104.000 Dollar Entschädigung für alliierte Bomben-Schäden bezahlt. Dearborn war damit nicht zufrieden. Im Jahr 1965 trat Ford vor die Foreign Claims Settlement Commission der USA und forderte weitere sieben Millionen Dollar. Die Kommission gewährte der Firma schließlich 1,1 Millionen - nachdem sie festgestellt hatte, dass Ford die angeblichen Schäden mittels betrügerischer Wechselkurse in die Höhe treiben wollte.

Übersetzung: Max Böhnel


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