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Heizer im Zug der Erinnerung

1. Oktober 2008 , Geschrieben von Parents Veröffentlicht in #Historisches

Manuel Jußen begleitete rollende Bahn-Ausstellung zur NS-Deportation
War mit Lok samt Ausstellung in ganz Deutschland unterwegs: Manuel Jußen ist von alten Dampfloks begeistert. Foto: Coordes

MARBURG. Viereinhalb Monate hat Manuel Jußen für den "Zug der Erinnerung" Kohlen geschaufelt. Seine Dampflok zog die rollende Ausstellung über die Deportation von Kindern und Jugendlichen während der NS-Zeit, die in mehr als 70 Städten Deutschlands für Aufsehen und Betroffenheit sorgte. 240 000 Besucher sahen sich die Dokumentation an. Möglicherweise wird er in den kommenden Monaten wieder als Kesselwärter im Zug der Erinnerung mitfahren. Das außergewöhnliche Projekt soll im Winter fortgesetzt werden.

Wahl-Marburger Manuel Jußen bezeichnet seinen Beruf als "Fahrzeughalter". Der gelernte Rettungsassistent, den das Studium an die Lahn verschlug, ist von Dampflokomotiven und alten Zügen begeistert. Schon Mitte der 90er Jahre gelang ihm mit einem Kollegen ein großes Bergungsprojekt in Rumänien. Dort kauften sie 18 alte Dampflokomotiven. "Das war wirklich ein Haufen Schrott", versichert der handwerklich geschickte Zwei-Meter-Mann. Viele von ihnen stehen heute in deutschen Eisenbahnmuseen.

Eine hat Manuel Jußen behalten: eine preußische Dampflokomotive von 1919, einst ein Standartfahrzeug in Deutschland, das er an der rumänischen Schwarzmeerküste entdeckte. Spitzengeschwindigkeit: 100 Stundenkilometer. Einen Standplatz hat sie in Dieringhausen bei Gummersbach. Jußen lebt aber davon, die alte Dampflok mit sich selbst als Heizer für Ausflugsfahrten, Sonderzüge, Filmaufnahmen und Ausstellungen in ganz Deutschland zu verleihen.

"Solche Loks sind früher für alles eingesetzt worden", sagt der 36-Jährige. Wohl auch für Deportationen von Kindern in Konzentrationslager.

Im Internet wurde er auf die Ausstellung aufmerksam. Eigentlich sollte sie fest installiert in deutschen Bahnhöfen gezeigt werden. Doch der Vorstand der Bahn AG lehnte das Ansinnen ab, obwohl die Reichsbahn im Nationalsozialismus sogar an den Deportationen verdiente.

Daraufhin entstand die Idee, die Ausstellung in einen Zug einzubauen. Jußen organisierte schon Anfang 2007 eine Probefahrt in Würzburg. Danach war klar, dass der Zug starten würde:

Freilich ließ sich die Bahn AG die Ausstellung mit Trassengebühren und Stationspreisen bezahlen. Zum Vorzugspreis vermietete Jußen seine eigene Lok, die den größten Teil der Tour dabei war. Viereinhalb Monate war er immer vor Ort.

Er beobachtete Schulklassen und Recherchegruppen. Er hörte alten Menschen zu, die sich durchaus daran erinnerten, wie Juden im Spalier zum Bahnhof getrieben wurden. "Mit dieser rollenden Ausstellung kann man das Thema einfach unglaublich gut vermitteln", sagt der Marburger: "Es kommen Leute, die man sonst nie erreichen würde." (zgc)

Quelle: HNA-Online

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