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»Der Widerstand braucht einen langen Atem« - 28.03.2009

18. Januar 2009 , Geschrieben von Parents Veröffentlicht in #Wirtschaft

Gewerkschaften haben Folgen der Wirtschaftskrise noch nicht voll erfaßt. Gespräch mit Bernd Riexinger

Interview: Daniel Behruzi

Bernd Riexinger ist Geschäftsführer des ver.di-Bezirks Stuttgart und Landessprecher der Partei Die Linke in Baden-Württemberg
Ein Bündnistreffen verschiedener linker und gewerkschaftlicher Gruppen hat beschlossen, wegen der Wirtschaftskrise am 28. März zu zwei zentralen Demonstrationen nach Berlin und Frankfurt amMain zu mobilisieren.. Welche inhaltliche Stoßrichtung soll der Protest haben?


Es geht darum, daß die Finanz- und Wirtschaftskrise nicht auf die Beschäftigten, Erwerbslosen, Rentner sowie Schüler und Studenten abgewälzt wird. Wir wollen, daß diejenigen, die von der neoliberalen Politik der vergangenen zwei Jahrzehnte profitiert haben, für die Krise ihres Systems zahlen. Den sozialen Forderungen, die Gewerkschaften, Die Linke und soziale Bündnisse schon lange aufstellen, soll mit den Aktionen ein größeres öffentliches Gewicht verschafft werden. Dazu gehören die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns, die Rücknahme der Rente mit 67 und der Privatisierung öffentlicher Einrichtungen ebenso wie die öffentliche Kontrolle oder gar Vergesellschaftung der Banken.

Es gab den Einwand, der 28. März sei zu kurzfristig, um machtvolle Demonstrationen auf die Beine zu stellen.


Es geht jetzt darum, einen Stein ins Wasser zu werfen, der dann hoffentlich Wellen schlägt. Die Krise hat vor vier Monaten begonnen, Ende März wird sie bereits sieben Monate angedauert haben. Sie erreicht in dramatischem Tempo die Betriebe, und es ist wichtig, daß die Kräfte aus Gewerkschaften, linken und sozialen Bewegungen jetzt ein Zeichen für Gegenwehr setzen. Die geplante Demonstration soll hierfür der Aufschlag sein, dem weitere Schritte folgen müssen.

Schon eine Woche nach dem beschlossenen Demonstrationstermin finden am 4. April in Strasbourg und Baden-Baden Proteste gegen die NATO-Feier statt. Ist das nicht ein Problem?


Das ist sicher ein organisatorisches Problem. Allerdings sehen wir hier keine Gegensätze, sondern werden auf den Demonstrationen am 28. März und im Vorfeld auch zur Beteiligung an den Anti-NATO-Aktionen aufrufen. Wir wollen einen inhaltlichen Bogen schlagen und den Zusammenhang zwischen Aufrüstung, Krieg und Krise deutlich machen.

Am 1. November 2003 war es bei einer von linken Gruppen angestoßenen Demonstration gegen die »Agenda 2010« gelungen, weite Teile der Gewerkschaften mit ins Boot zu holen. Sehen Sie diese Möglichkeit auch jetzt?


Ich glaube, daß viele Gewerkschaftsgliederungen und gewerkschaftliche Vertrauensleute daran interessiert sind, auf die Straße zu gehen und die Kollegen zu mobilisieren. Die Demonstrationen in Berlin und Frankfurt können hierfür eine Plattform bieten. Man kann die Situation allerdings nicht ganz mit der im November 2003 vergleichen. Damals war die Auseinandersetzung um die »Agenda 2010« schon seit über einem Jahr im Gange. Die Gewerkschaftsspitzen waren zu zögerlich, und die Menschen warteten dringend darauf, daß etwas passiert. Soweit sind wir im März vielleicht noch nicht. Dennoch muß dringend ein Anfang gemacht werden. Es geht auch darum, einer drohenden Demoralisierung und Resignation in der Bevölkerung entgegenzuwirken. Denn wir haben die Einschätzung, daß die Krise kein vorübergehender Spuk ist, der nach kurzer Zeit wieder in einen wirtschaftlichen Aufschwung überführt werden kann.

Die Bundesvorstände der Gewerkschaften sehen das offenbar anders.. Ver.di und IG Metall haben die Maßnahmen der Bundesregierung größtenteils begrüßt.


Ähnlich wie bei der großen Wirtschaftskrise 1929 wird der Ernst der Lage bislang nicht voll erfaßt. Es besteht die große Gefahr, daß die Gewerkschaften sehr schnell wieder an die Wand gedrückt werden, nachdem sie sich zuletzt ein wenig aus der Defensive befreien konnten.. Die Unruhe, die man angesichts einer solchen Situation in den Gewerkschaften eigentlich verspüren müßte, ist nicht oder noch nicht da.. Allerdings gibt es auch Ausnahmen. So hat der ver.di-Landesbezirk Baden-Württemberg schon einige Aktivitäten durchgeführt und ist auch bereit, die jetzt geplanten Proteste zu unterstützen.

Wie sollte es nach dem 28. März weitergehen?


In den kommenden Monaten und Jahren stehen heftige Verteilungskämpfe auf der Tagesordnung. Deshalb muß der Widerstand mit langem Atem, auf mehreren Ebenen aufgebaut werden. Zum einen brauchen wir ein Sofortprogramm gegen die Krise, für das mobilisiert wird. Zum anderen muß die Gegenwehr in den Betrieben gestärkt werden. Es gilt, die Beschäftigten zu ermutigen, ihre Arbeitsplätze und die sozialen Standards zu verteidigen und sich nicht wieder in eine Position des Verzichts drängen zu lassen. Und wir müssen uns auf massive Angriffe auf die Sozialsysteme vorbereiten, die nach der Bundestagswahl mit großer Sicherheit auf uns zukommen werden.

Quelle: rote predigt
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