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"Es ist falsch, ein Nazi zu sein"

23. Juni 2011 , Geschrieben von Parents Veröffentlicht in #Antirassismus | Asyl

Aktionstag "Gib Rassismus keine Chance" an der Schule mit Courage / Emotionales Theaterstück über einen Mord

"Es ist falsch, ein Nazi zu sein"
Von Lars Köppler
Oyten. Der Mord an dem 16-jährigen Marinus Schöberl beschäftigte 2002 die Polizei, Medien und Bewohner des kleinen Dorfes Potzlow in der Uckermark gleichermaßen. Gestern befassten sich die Neuntklässler des Oytener Schulzentrums im Rahmen des Aktionstages "Schule mit Courage - gib Rassismus keine Chance" mit dem Verbrechen an dem Jungen, für das zwei Brüder (23 und 17 Jahre) und ein Freund (17) sowie deren extremistische Ideologien verantwortlich zeichneten.

Auf Einladung der Schülervertretung um Armin Catovic und mit Unterstützung der Lehrer Kirsten Gebeyehu und Erwin Weide war das Schauspielkollektiv "Neues Schauspiel Lüneburg" zu Gast am Oytener Schulzentrum. Das Ensemble um Thomas Flocken und Julia von Thoen hatte die brutale Tat zum Anlass genommen, aus Recherchen und Interviews mit Tätern, Prozessbeteiligten, Angehörigen, Zeugen und Dorfbewohnern, die der Dokumentarfilmer Andres Veiel und die Dramaturgin Gesine Schmidt führten, ein intensives Theaterstück einzustudieren, das authentisch soziale Ängste, Gewalt, Perspektivlosigkeit, Alkoholmissbrauch und Hilflosigkeit der Eltern darstellen soll.

In Oyten sahen die Schüler zunächst die Aufführung von "Der Kick" und erhielten somit Einblick in die Tat von Marco und Marcel S. sowie ihrem Spezi Sebastian F. Das Trio hatte sein Opfer - obwohl es gar nicht in das von Rassismus geprägte Feindbild der Täter passte - stundenlang auf grausame Art misshandelt und schließlich zum "Juden" erklärt, um das Verbrechen zu rechtfertigen. Marcel S. tötete den Jugendlichen letztlich mit einem in der rechten Szene bekannten "Bordsteinkick".

Alkohol, Frust, Perspektivlosigkeit

Nach der emotionalen Inszenierung stellten sich die Akteure auf der Bühne - die Schauspieler Achmed Ole Bielfeldt, Kerstin Otto und Andreas Püst in der Rolle der Täter sowie Thomas Flocken und Julia von Thoen - dem Dialog mit den Oytener Pestalozzischülern. Dabei ging es vor allem um die Ursachen für die Entstehung von Gewalt und Fremdenfeindlichkeit. "Dass die Täter eine Rechtfertigung für den Mord brauchten, hat mich besonders erschreckt", räumt Thomas Flocken ein. Im Mittelpunkt der Diskussionsrunde stand die Frage, warum diese Situation völlig eskalierte. Für die Oytener Schüler war klar: "Spaß an der Gewalt, Gruppendynamik, Alkohol, Frustabbau, Perspektivlosigkeit, aber auch Angst vor den Kameraden" zählten in diesem Fall zu den Gründen.

Doch nicht nur das Theaterstück gehörte zum Programm des Aktionstages, an dem jeder Schüler involviert war. Die Zehntklässler verfolgten einen Film und eine Präsentation von Rudi Klemm (Wabe), die Einblicke in die Kultur der rechten Szene lieferten. Die Schüler aus den siebten und achten Klassen befassten sich mit "Andi" - einem Comic für Demokratie und gegen Extremismus, herausgegeben vom Innenministerium des Landes Nordrhein-Westfalen - und lösten spezielle Aufgabenstellungen. So mussten die Oytener Pennäler sich Szenen und Personen aus dem Comic heraussuchen und ihre Auswahl begründen. Zudem musste die entsprechende Szene auf ein Plakat gemalt und bei der Schülervertretung abgegeben werden.

Die Fünft- und Sechstklässler waren indessen mit einer Lesung zum Thema beschäftigt, die Pastor Joachim Dallmeyer sowie Erwin Weide hielten. Für 16 Schüler stand außerdem ein "Activity-Spiel" auf dem Programm.

"Mein Wunsch ist es, dass die Leute einsehen, dass es falsch ist, ein Nazi zu sein", erklärt Schulsprecher Armin Catovic.

 

Quelle: Weser Kurier  - 22.06.2011

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