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Gedanken einer Klinik-Beschäftigten: bessere Klinikfinanzierung statt lokale Schuldzuweisungen

16. Juli 2012 , Geschrieben von Parents Veröffentlicht in #Kommunales | Daseinsvorsorge

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Vor 15 Jahren haben wir Krankenhaus-Beschäftigte gemeinsam mit Patienten und vielen Gruppen der Bevölkerung die von der Landkreis-Politik geplante Schließung von Gyn.-, Kinder- und anderen Abteilungen im Kreiskrankenhaus Walsrode verhindert. Viele qualifizierte Informationsveranstaltungen der ÖTV, unerlaubtes Verbreiten der geheimen Umstruturierungspläne für die beiden Kreiskrankenhäuser Soltau und Walsrode, ständige Aktionen, 
weit über 20.000 Unterschriften gegen Abteilungsschließungen, Demonstration von 6000 Menschen  führte schließlich dazu, dass keine Abteilung geschlossen wurde. Statt Vorschläge zur Verbesserung der finanziellen Situation aufzunehmen, wurden die beiden Kreiskrankenhäuser zur Heidekreis-Klinikum gGmbH (HKK). Später entstand noch eine Tochtergesellschaft für die der Großteil des Personals (alle die nicht zu Medizin und Pflege gehören) Arbeitgeber wurde. Für Neueingestellte drohten schlechtere Bedingungen. Versucht wurde Beschäftigte in allerlei Arbeitsgruppen an Verbesserungen oder Verschlechterungen zu beteiligen.
Inzwischen hat sich dank mehrerer Bundesregierungen die Finanzierung der Kliniken nahezu überall dermaßen verschlechtert, dass in Niedersachsen (und auch sonst in Deutschland) viele Kliniken ganz oder teilweise geschlossen oder an private Klinik-Konzerne verkauft wurden. Häufig sahen die verantwortlichen Kommunalpolitiker keine andere Möglichkeiten. Mehrmals in den vergangenen Jahren riefen Gewerkschaften und Kliniken bundesweit zu Protesten auf, auch in Walsrode. "Der Deckel muss weg!" hieß eine Kampagne zur besseren Klinik-Finanzierung.

Seit einigen Jahren verschlechtern sich auch die Finanzen des Heidekreis-Klinikum Soltau-Walsrode. Und damit steigt zunehmend der Druck und Streß für uns Klinik-Beschäftigte und das ist schlecht für die Patienten. Da das Heidekreis-Klinikum Soltau-Walsrode gGmbH dem Landkreis Heidekreis (bis vorm Jahr mit Namen: Landkreis Soltau-Fallingbostel) gehört, sitzen vor allem Landkreis-Politiker im Aufsichtsrat. Teure Gutachter und Experten der Firma Lohfert & Lohfert aus Hamburg und BAB aus Bremen schlugen Umstrukturierungen in beiden Häusern vor. Gleiche Abteilungen sowohl in Soltau wie in Walsrode soll es nicht mehr geben. Widerstand kam diesmal aus Soltau, vor allem weil u.a. auch die Kinderklinik geschlossen werden sollte (Umzug nach Walsrode fand im Juli 2012 statt).  Wegen abweichender Meinung zur Umstrukturierung wurde Dr. Franz, beliebter Chef der Soltauer Kinderabteilung, gefeuert. Eine Bürgerinitiative, mit Soltaus Bürgermeister Ruhkopf/ SPD und dem Chef der Grünen-Kreistagsfraktion Dr. Christopher Schmidt u.a. an der Spitze wurden genügend Unterschriften für ein Bürgerbegehren gesammelt. In Soltau werden sogar  wirtschaftliche Interessen von Geschäftsleuten, die für das HKK arbeiten oder liefern, als  Argumente gegen Abteilungsschliessungen vorgebracht. Aber würde eine kleine Kinderklinik nicht von minderer Qualität ("Kinderklinik-light") sein?
Für Patientenbesucher, wie für Klinik-Beschäftigte, wie überhaupt ist der Öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) so schlecht, dass es von Hötzingen nach Walsrode oder von Gilten nach Soltau eine Tagesreise ist. Und nicht überall gibt es überhaupt ÖPNV. Kinder, Alte und Arme haben selten Autos. 

Die 3 Soltauer Kreistagsabgeordneten spalteten sich (vorübergehend) von der CDU ab. In Soltau ging die Sorge um, die Umstrukturierung der erste Schritt zur vollständigen Schließung des Hauses in Soltau sei. Im Kreistag wurde durchregiert. Geschickt wurde das Bürgerbegehren wegverhandelt mit dem Kompromiß, dass auch in Soltau die Kinderabteilung bliebe. Kaum hatte sich die CDU darüber wieder zusammengefunden, wurde der Kompromiß am Freitag 6.7.2012 im Kreistag niedergestimmt. In den letzten Jahren stand ständig die Drohung im Raum: Wenn in beiden Häusern irgendwas doppelt angeboten würde, sei das der baldige Untergang des gesamten Heidekreis-Klinikums. Jetzt werden wohl mindestens die Hebammen, die im Haus Soltau arbeiteten ihre Arbeitsplätze verlieren. Im Haus Soltau gibt es schon lange nur sog. "freie Hebammen".

Lokale Politik, Lokalzeitungen und viel Bevölkerung diskutieren bzw. nehmen das alles nur als lokale Auseinandersetzungen wahr. Einen Chefarzt feuern wegen abweichender Auffassung zur Umstrukturierung, Proteste der Bürgerinitiative zur Rettung des Hauses Soltau, Vorwürfe gegen die angeblich "unfähige" HKK-Geschäftsführung, der Betriebsrat benimmt sich wie die Durchregierenden von Geschäftsführung, Aufsichtsrat und Kreistag. Alles das läßt die Lokalzeitungen aufregende Schlagzeilen produzieren. Die erneute Geheimhaltungspolitik der HKK-Verantwortlichen ist genausowenig Thema wie Kritik an den Gesamtverantwortlichen der Gesundheitspolitik in Berlin.

Tatsächlich gibt es - trotz großem Engagement des Klinik-Personals - immer mal wieder Probleme bei der Versorgung von Patienten. Manchmal beschweren sich inzwischen Patienten, nicht wie es notwendig sei, weiter behandelt worden zu sein. Schlagzeilen macht die Abweisung eines Patienten. Geschäftsführer Lehmann empfiehlt (oder fordert?), dass, wenn kein Platz vorhanden ist, eben auch mal ein chirurgischer Patient auf die Kinderstation gelegt wird - natürlich nur vorübergehend. Pflegekräfte sollen nicht allein stationsbezogen eingesetzt werden. Die beiden Geschäftsführer beklagen bei den Stationen, dass sie nicht alles was mit den Patienten gemacht wird, vollständig dokumentieren. Nur so, könne dem Kostenträgern alles Geleistete auch in Rechnung gestellt werden. Da wird denn auch schon mal das Wort "Produktivität als Orientierung" in den Mund genommen. Dieses und Weiteres beschert den Beschäftigten zunehmend Streß, macht müde, zermürbt, zerstört die Motivation und schadet am Ende den Patienten. Man darf sich nicht wundern, dass obendrein der Ruf des Klinikums den Bach runtergeht und wie eine Lawine zunehmenden Schaden anrichtet bis am Ende das Heidekreis-Klinikum an einen rein Gewinn-orientierten Klinik-Konzern billig verscherbelt wird. Angesichts der knappen Finanzen der Kommunen, kann der Landkreis sein Heidekreis-Klinikum gGmbH nicht erhalten oder unterhalten.
Der Hickhack lenkt ab - und soll wohl auch ablenken - von jenen, die uns die sich ständig verschlechternde Gesundheits- und Krankenhausversorgung beschert haben und noch bescheren. Soziale Organisationen, Kirchen, die zahlreichen Selbsthilfegruppen chronisch Kranker und selbst ver.di, alle schweigen. Wo bleibt die große Kampagne für eine ausreichende patientenorientierte Klinik-Finanzierung?  Das würde auch uns Klinikbeschäftigten helfen. Die Landes- und Bundesregierung müssen wir gemeinsam laut und deutlich unter Druck setzen !!
 
-- um die Schreiberin dieses Briefes vor betrieblichen Konsequenzen zu bewahren, wird ihr Name nicht veröffentlicht --
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