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Gesammelte Pressestimmen des Landeselternrats | Thema Bildungspolitik

18. Januar 2010 , Geschrieben von Parents Veröffentlicht in #Bildung

15.01.2010 / HAZ Seite 1 Ressort: POLI

Regierung Wulff geht auf die Gesamtschulen zu

Hannover. Im erbitterten Streit um die Gesamtschulen in Niedersachsen geht die schwarz-gelbe Landesregierung auf ihre schärfsten Kritiker zu: Integrierte Gesamtschulen (IGS) werden von der Pflicht zum Turbo-Abitur ausgenommen – sie können selbst entscheiden, ob sie das Abitur nach zwölf oder 13 Schuljahren vergeben. Das geht aus einem Erlass des Kultusministeriums hervor, der heute veröffentlicht werden soll. Vor gut einem Jahr hatten Ministerpräsident Christian Wulff und Kultusministerin Elisabeth Heister-Neumann (beide CDU) verkündet, auch an Gesamtschulen die Schulzeit auf zwölf Jahre verkürzen zu wollen. Vor allem in Hannover schlugen die Wellen der Empörung hoch. Tausende Lehrer, Eltern und Schüler gingen gegen den Beschluss auf die Straße. Ein von verschiedenen Initiativen gestartetes Volksbegehren richtet sich vor allem gegen die Einführung des Turbo-Abiturs an den Gesamtschulen. Die Hauptsorge: Die Reifeprüfung nach zwölf Jahren würde den gemeinsamen Unterricht unmöglich machen. Die Kinder müssten schon ab der 6. Klasse aufgeteilt werden, das Kernprinzip der IGS wäre damit zerschlagen worden. Der neue Erlass ist von einer Arbeitsgruppe im Ministerium formuliert worden, in der auch Vertreter der Gemeinnützigen Gesellschaft Gesamtschule saßen. Er sieht vor, dass der Klassenverband bis zum Ende des 9. Jahrgangs bestehen bleibt. Ab Klasse 7 kann auf zwei oder drei unterschiedlichen Leistungsniveaus in Mathematik und Englisch unterrichtet werden. Ein Jahr später folgt die Differenzierung in Deutsch, dann auch in den Naturwissenschaften. In der 9. Klasse muss differenziert werden, in den unteren Jahrgängen kann auf Antrag gemeinsam unterrichtet werden. Die Schüler können entweder nach der 9. Klasse in die gymnasiale Oberstufe eintreten und nach zwölf Jahren Abitur machen, oder sie lassen sich ein Jahr länger Zeit. „An der IGS ist so ein Abitur der zwei Geschwindigkeiten möglich, in zwölf oder 13 Jahren“, sagt der Leiter der Hildesheimer Robert-Bosch-Gesamtschule, Wilfried Kretschmer. Er bewertet den Entwurf „überwiegend positiv“: Die IGS erhalte mehr Freiheitsgrade. Das Kultusministerium in Hannover will dagegen nicht von einer Überraschung sprechen. „Wir haben immer gesagt, dass es nicht darum geht, die Gesamtschulen zu zerschlagen“, sagte Ministeriumssprecher Andreas Krischat. Der IGS-Erlass des Ministeriums wird heute veröffentlicht. Er geht danach in die Anhörung der Verbände und Interessengruppen.

Saskia Döhner

15.01.2010 / HAZ Seite 2 Ressort: POLI

Kommentar

Kluger Schachzug

Die Angst war groß: Viele Kritiker hatten befürchtet, dass mit dem Turbo-Abitur auch das Ende des gemeinsamen Unterrichts an den Integrierten Gesamtschulen kommen würde. Und ihre Sorgen waren durchaus begründet: Entgegen der Beteuerungen von Kultusministerin Heister-Neumann gibt es in der Regierung entschiedene Gesamtschulgegner, immer noch. Aber es gibt auch starke Fürsprecher. Und es gibt zum Glück die Realisten, für die Gesamtschulen ganz einfach auch zum gegliederten System gehören. Und die haben sich anscheinend durchgesetzt. Sicherlich haben auch der Druck der Öffentlichkeit, die vielen Demonstrationen und Protestbriefe, aber auch die leisen Gespräche im Hintergrund das Einlenken leichter gemacht. Der liberale IGS-Erlass ist ein kluger Schachzug der Regierung und nimmt den Kritikern den Wind aus den Segeln. Für die Bildungspolitik im Land ist es aber nur gut, wenn beide Seiten unaufgeregter miteinander umgehen. Gelassenheit ist hilfreicher als starre Schwarz-Weiß-Ideologie. Kritik wird es in den nächsten Tagen dennoch geben. Die Vertreter der reinen IGS-Linie werden um den 9. und 10. Jahrgang fürchten, und die Gymnasien werden sich ungerechtet behandelt sehen, weil sie nicht die Wahl zwischen dem Abitur nach zwölf oder 13 Jahren haben. Wer sich hier länger Zeit lassen will, ist zum Sitzenbleiben verdonnert. Wenn der Erlass die Anhörung übersteht und nicht über Ausführungsverordnungen wieder eingeschränkt wird, zeigt die Landesregierung, dass sie sich in der Schulpolitik dem Zug der Zeit doch nicht gänzlich verschließt. Die Schulen hätten es verdient, dass man ihnen mehr Freiheit zutraut – und das gilt nicht nur für Gesamtschulen.

Saskia Döhner

15.01.2010 / HAZ Seite 6 Ressort: NIED

Stressfaktor Schule – jeder dritte Schüler leidet

Lüneburg. Der Rohrstock hat in deutschen Klassenzimmern zwar schon lange ausgedient, doch Angst und Stress sind bei Schülern auch heute noch weit verbreitet. Jeder dritte Jugendliche leidet unter körperlichen oder psychischen Beschwerden. Das ergab eine Studie der Leuphana Universität Lüneburg für die Deutsche Angestellten Krankenkasse (DAK). Befragt wurden 4500 Schüler im Alter von zehn bis 21 Jahren in Thüringen, Hessen, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen. „Leistungsdruck, Konflikte mit Lehrern und in der Familie oder anstrengende Freizeitaktivitäten – für Schüler gibt es viele Gründe, in Stress zu geraten“, sagt Diplom-Psychologe und DAK-Experte Frank Meiners. „Die Anzeichen dafür können ganz unterschiedlich sein.“ Laut Umfrage reagieren 57 Prozent der Schüler unkonzentriert, nervös und überdreht, jeder Zweite leidet an Kopf- und Bauchschmerzen. 43 Prozent sind traurig und ziehen sich zurück, 42 Prozent reagieren gereizt und aggressiv. Jedes dritte Schulkind leidet unter Lern- und Leistungsstörungen, und 29 Prozent wollen bei Stress nicht mehr zur Schule gehen. Ein Fünftel schläft schlecht. Betroffen sind vor allem Zwölf- bis 18-Jährige. Jeder zweite Schüler dieser Altersgruppe fühlt sich häufig oder gelegentlich gestresst. „Es handelt sich um eine Problematik, die stetig zunimmt“, sagt Ralf Connemann, Verbandsvorsitzender der niedersächsischen Schulpsychologen. Er meint: „Ein großer Stressfaktor ist, dass die Schule immer bedeutsamer wird“, was zur Folge habe, dass die gefühlte Belastung ansteige. „Je bedeutsamer das Ziel, umso größer ist auch die Angst zu versagen.“ Außerdem verkürze sich die Zeit zur Entspannung durch überfüllte Lehrpläne und lange Schultage. „Die Möglichkeit, Sport zu treiben oder Hobbys nachzugehen, ist zeitlich sehr eingeschränkt“, sagt Connemann. Die Vorsitzende des niedersächsischen Schulleitungsverbandes, Helga Akkermann, meint, dass in erster Linie die großen Lerngruppen für den Stress der Schüler verantwortlich seien. Einige Jugendliche könnten nicht ausreichend zu Wort kommen, und andere verlören aufgrund des gestiegenen Unterrichtstempos den Anschluss. Auch die zentralen Prüfungen könnten laut Akkermann eine größere Anspannung hervorrufen. Eine Erklärung dafür, warum Mädchen laut Studie besonders stark von Stresssymptomen betroffen sind, haben weder Akkermann noch Connemann. 40 Prozent der Schülerinnen gaben an, mehrmals in der Woche körperliche oder psychische Beschwerden zu haben. Erstaunt zeigt sich das Kultusministerium darüber, dass Gymnasiasten viel seltener angaben, unter Kopf- oder Rückenschmerzen zu leiden als andere Schüler. „Die Stresssymptome tauchen nicht dort auf, wo wir sie eigentlich erwatet hätten“, sagt Ministeriumssprecher Andreas Krischat. Man hätte gedacht, dass besonders auf den Gymnasiasten wegen des Turbo-Abiturs ein großer Druck laste. „Wir werden uns mit der Studie befassen und nach den Ursachen für die Stresssymptome suchen“, sagt Krischat.

Julia Henke

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C
<br /> Eine Verkürzung der Schulzeit an der IGS beim Abitur auf 12 Jahre hätte das eigentliche Konzept in der Tat ad absurdum geführt. Interessant wird jetzt sein, in wiefern welches Abitur an der IGS<br /> besser angenommen wird, also die 12er oder 13er Version. Zwei Konzepte nebeneinander werden auf Dauer wohl nicht laufen, allein aus Kostengründen...<br /> <br /> <br />
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