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Kein Vergeben, kein Vergessen! 19.03.2011 13:00 Tostedt

12. März 2011 , Geschrieben von Parents Veröffentlicht in #Kampf gegen Nazis - Norddeutschland

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Kein Vergeben, kein Vergessen!
Neonazis offensiv entgegentreten!
Tostedt – Ein Ort im niedersächsischen Landkreis Harburg. Hier geht alles seinen Gang. Es gibt
eine Freiwillige Feuerwehr, einen Schützenverein und alljährlich den berühmten und
Norddeutschlands größten Flohmarkt. Eine Gemeinde, wie sie im Bilderbuch steht?
Buxtehude, 1992...
Am Morgen des 18.März 1992 wurde in Buxtehude der erwerbslose Kapitän Gustav Schneeclaus
von zwei Neonazis brutal zusammengeschlagen. Vier Tage später erlag er im Krankenhaus seinen
schweren Verletzungen.
Nachdem damals Gustav Schneeclaus die Wohnung seiner Freundin in Buxtehude verließ, traf er
am Busbahnhof auf eine Gruppe Nazi-Skinheads. Unter ihnen der damals 19-jährige Stefan Silar
und der 26-jährige Stephan Kronbügel: Sie kommen ins Gespräch, beginnen Alkohol zu trinken. Als
Gustav Schneeclaus sich negativ über Hitler äußert, wird er von den beiden Neonazis geschlagen
und getreten. Die Täter flüchten zunächst mit einem Auto, kehren aber kurze Zeit später mit einem
schweren Kantholz bewaffnet wieder zurück. Erneut schlagen sie auf Gustav Schneeclaus ein, bis er
blutüberströmt am Boden liegen bleibt.
Die Neonazis werden kurz nach dem Mord gefasst und kommen in Untersuchungshaft. Stefan Silar
wird zu sechs Jahren Haft verurteilt. Während seiner Knastzeit erfährt er aus der rechten Szene
massiven Rückhalt.
Stefan Silar, da war doch was...!?
Nach seiner Haftentlassung tritt er dem mittlerweile verbotenen Neonazi-Netzwerk „Blood &
Honour - Sektion Nordmark“ bei. Bis 2003 ist Stefan Silar aktives Mitglied in der Neonazigruppe
„Combat 18 Pinneberg“. Silar übernimmt bis heute eine führende Position in der norddeutschen
Naziszene und organisiert Konzerte mit namhaften Rechtsrockbands.
Seit 2005 betreibt er den nach eigenen Angaben größten Neonaziladen Norddeutschlands
„Streetwear Tostedt“. Der Laden gehört zu den wichtigsten Anlaufpunkten für junge Neonazis aus
Tostedt und der gesamten Region. Dort bekommt ein Neonazi von einschlägiger Szene-Kleidung
über CDs bis hin zu Waffen fast alles, und auch für rechte Veranstaltungen wird dort geworben.
Tostedt bietet Lebensqualität!?
In der Selbstdarstellung beschreibt sich die Gemeinde Tostedt als „ein attraktiver Wohn- und
Geschäftsort wenige Kilometer südwestlich von Hamburg“, dessen „EinwohnerInnenzahl stetig
ansteigt“. Stetig steigen dort aber vor allem neofaschistische Überfälle und andere Nazi-Aktivitäten.
Seit Ende der 1980er Jahre gehört die Region um Tostedt zu den Schwerpunktgebieten extrem
rechter Aktivitäten. Dort waren nicht nur die Neonazi-Organisationen FAP oder „Blood & Honour“
zu Hause, es kam auch immer wieder zu heftigen Auseinandersetzungen und brutalen Überfällen
durch Neonazis. Heute rangiert Tostedt in der Statistik „rechtsextremer Straftaten“ in Niedersachsen
an erster Stelle.
Die Gewalt, mit der die Neonazis dabei vorgehen, erreichte im Mai 2010 eine neue Dimension. Bei
einem nächtlichen Angriff in Wistedt versuchten mehr als ein Dutzend Neonazis die Wohnung eines
antifaschistischen Jugendlichen zu stürmen, dabei setzten sie Knüppel und Spaten als Waffen gegen
die Personen, die sich in der Wohnung befanden, ein. Die Neonazis verletzten dabei mehrere
Menschen teils schwer.
Nur einen Monat zuvor brachen im benachbarten Hollenstedt mit Schlagringen und Pfefferspray
bewaffnete Neonazis in das Familienhaus eines alternativen Jugendlichen ein, und immer wieder
kommt es zu zahlreichen anderen Angriffen und Bedrohungsszenarien. In Tostedt werden
regelmäßig vor allem junge Menschen und deren Familienangehörige bedroht, verfolgt und
angegriffen, wenn sie sich offen gegen Neonazis äußern.
Diese Übergriffe sind nicht das Resultat einer unpolitischen Bandenrivalität oder eines Streits „um
ein Mädchen“, wie es die Polizei vor Ort immer wieder darzustellen versucht.
Die Angreifer stammen aus den neonazistischen Gruppierungen „Gladiator Germania“ und
„Nationaler Widerstand Tostedt“ und zeigen das auch offen.
Ziel der Gewaltwelle der Neonazis in Tostedt ist es, die Region für alternative Jugendliche und
Antifaschist_innen zu einer „No-Go-Area“ zu machen.
Statt eines öffentlichen Aufschreis und Einschreitens der Zivilgesellschaft und der Bürger_innen
Tostedts wird auf ganzer Linie geschwiegen und verharmlost: Von der Polizei werden die Vorfälle
heruntergespielt oder ganz verschwiegen, ein politischer Hintergrund geleugnet.
Die regionale Presse übernimmt zumeist diese Darstellung ohne sie zu hinterfragen. „Schuldige“
werden dennoch benannt: ausgerechnet jene Jugendliche, die sich gegen rechte Strukturen wehren
und sie skandalisieren, werden als „Störer und Nestbeschmutzer“ gebrandmarkt und kriminalisiert.
Selbst das „Bündnis für Zivilcourage“ folgt dieser kruden Logik und verweigert sich einer
öffentlichen Solidarisierung mit den Betroffenen. Im Gegenteil: Das Bündnis reproduziert sogar
einen Extremismusbegriff, der Neofaschismus und den antifaschistischen Kampf dagegen als zwei
Seiten einer Medaille erklärt und somit gleichsetzt. Betroffene rechter Gewalt werden so von vorne
herein kriminalisiert und mit den Tätern in einen Topf geworfen.
Das Naziproblem in Tostedt ist weder neu noch vom Himmel gefallen, sondern ganz klar
hausgemacht. Bis Mitte der 1990er Jahre gab es eine breite alternative antifaschistische
Jugendkultur, welche im Zuge der Auseinandersetzungen mit der bundesweit erstarkenden
Neonaziszene von staatlicher Seite zurückgedrängt wurde. Alternative Jugendangebote im örtlichen
Jugendzentrum wurden unterbunden, der Jugendrat aufgelöst und antifaschistische Initiativen
kriminalisiert. Stattdessen wurde ein Streetworkprojekt ins Leben gerufen, das den Nazis Räume
und finanzielle Mittel zur Verfügung stellte, in der Hoffnung, die Radikalisierung der Neonazis
aufzuhalten. Stattdessen nutzten die Neonazis den Raum, um sich zu organisieren, zu vernetzen und
neue Mitglieder anzuwerben. Mit diesem fehlgeschlagenen Ansatz der „akzeptierenden
Jugendarbeit“ wurde maßgeblich dazu beigetragen, dass sich die Nazistrukturen in und um Tostedt
langfristig etablieren konnten.
Heute gibt es eine breitgefächerte Neonaziszene, welche für die jüngsten Angriffe und Bedrohungen
verantwortlich ist. Dabei zeigt auch die Altersstruktur,, dass es an jugendlichem Nachwuchs nicht
mangelt. Der Naziladen „Streetwear Tostedt“ ist dabei zentraler Treffpunkt und Rekrutierungsfeld
und sichert seinem Besitzer, dem Neonazi und Totschläger Stefan Silar, seinen Lebensunterhalt.
Die extrem rechten Cliquen und Nazikameradschaften in Tostedt entwickeln ihr Selbstbewusstsein
und ihre Wirkungsmacht über ein enormes Angebot an Freiräumen, die ihnen dort gewährt werden.
Auf den tragenden gesellschaftlichen Ebenen findet so gut wie keine Auseinandersetzung,
geschweige denn eine konsequente Ablehnung von Neonazis statt. Das Naziproblem wird verschärft
durch einen Behördenapparat, der vor allem bemüht ist zu vertuschen und zu verschweigen als
entschlossen zu handeln.
In Tostedt hat das offene Bekenntnis, Nazi zu sein, keine persönlichen, existenziellen oder
gesellschaftlichen Konsequenzen. Vielmehr ist die Unterordnung und Anpassung an die extreme
Rechte im Ort oft der Weg des geringeren Widerstandes. Die Nazis können sich in diesem Klima
der Angst, des Verschweigenes und Akzeptierens fast ungestört ausbreiten.
Tostedt hat kein Problem mit Nazis. Wir schon.
Mit der antifaschistischen Demonstration am 19. März 2011 in Tostedt wollen wir zum einen an den
19. Jahrestag der Ermordung von Gustav Schneeclaus erinnern, zum anderen das Verschweigen und
Verharmlosen der Tostedter Zustände durchbrechen.
Der Mord an Gustav Schneeclaus und andere rechte Gewalttaten sind die Konsequenz einer extrem
rechten Ideologie, in der die soziale Gleichheit und Gleichwertigkeit aller Menschen verneint und
Menschen, die nicht in das menschenverachtende Weltbild der Nazis passen, das Recht auf Leben
aberkannt wird.
Es geht darum, den Nazis in Tostedt und überall sonst das Leben so schwer wie möglich zu machen.
Die ungestörte Entfaltung der Nazistrukturen muss beendet werden. Wer sich offen auf den
Nationalsozialismus beruft, der muss mit Konsequenzen rechnen!
Es gilt aber auch, die Ursachen zu bekämpfen, die zur Entwicklung rassistischer, antisemitischer
und nationalistischer Einstellungen führen und dabei eine Perspektive einer emanzipatorischen und
solidarischen Gesellschaft zu formulieren und voranzutreiben.
„Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen
Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel“ (Aus dem Schwur der befreiten Häftlinge des KZ
Buchenwald).
Antifaschistische Demonstration
Samstag, 19. März 2011
13 Uhr
Tostedt (Bahnhof)
Kampagne Landfriedensbruch
Eine Initiative autonomer und antifaschistischer Gruppen aus Norddeutschland
www.landfriedensbruch.tk

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