NDR.de 11.11.2011: Vorbildlich integriert - trotzdem abgeschoben
Die 19-jährige Noglan Nguyen darf als einziges Familienmitglied in Deutschland bleiben. Die Abschiebung einer vietnamesischen Familie aus Hoya (Landkreis Nienburg) in der Nacht zu Dienstag schlägt hohe Wellen. Die Unterstützer der Familie mit zwei Kindern sowie der Flüchtlingsrat zeigen sich bestürzt. Zudem hat die Evangelische Kirche in Niedersachsen gedroht, aus der zuständigen Härtefallkommission auszutreten.
Eine vietnamesische Familie aus Hoya wurde in einer Nacht- und Nebelaktion unter Polizeieinsatz abgeschoben, obwohl die Familie gut integriert ist. Hoyas Bürger sind empört.
Der Braunschweigische Bischof Friedrich Weber hat dem NDR Fernsehen erklärt, dass die Evangelische Kirche nur solange in der Härtefallkommission bleibe, wie die Frage des Erbarmens in Rechtsangelegenheiten einen Platz habe. Erbarmen sei ein christliches Prinzip. Wenn sich dies nicht mehr umsetzen lasse, dann könne die Kirche ihre Aufgaben in der Härtefallkommission nicht mehr wahrnehmen. Dieser Moment sei nun gekommen und müsse in der Kirche diskutiert werden.
Innenminister Schünemann betonte, dass die Bleibe-Anträge einstimmig abgelehnt worden sind. Im Landtag hat sich Innenminister Uwe Schünemann (CDU) ebenfalls zu dem Fall geäußert. Er wies darauf hin, dass alle Parteien im Petitionsverfahren und im Landtag jeweils die Anträge der Familie Nguyen auf ein Bleiberecht einstimmig abgelehnt hätten. So sei dem Innenministerium nur übrig geblieben, die Ausweisung wie beschlossen umzusetzen. Die Entscheidung sei nun insofern nicht revidierbar, als dass die Abschiebung einen zweijährigen Einreisestopp nach sich zöge.
Mit der Abschiebung endet ein dramatisches Tauziehen um ein Aufenthaltsrecht für das Ehepaar Tuong und Sang Nguyen und dessen sechs und neun Jahre alte Kinder. Nach Angaben des Pfarrers der evangelischen Kirchengemeinde, Andreas Ruh, wurde die Familie mitten in der Nacht auf Dienstag abgeholt. Ruh ist bestürzt, denn die Familie galt als vorbildlich integriert.
Die Kinder sind in Deutschland geboren, gingen in Hoya zur Schule und haben deutsche Freunde. Der Vater arbeitete seit 16 Jahren in einer Baumschule. Sozialleistungen haben die Nguyens nach Angaben des Pfarrers nie bezogen - dafür immer Steuern bezahlt. "Das rigorose Vorgehen der Ausländerbehörden ist unbegreiflich", sagte der Pastor.
Der Vater war 1992 mit einer Schleuserorganisation aus Vietnam nach Deutschland gekommen. Dieser Umstand ist der Familie jetzt offenbar zum Verhängnis geworden: Damals soll er einen falschen Namen angegeben haben. Nach Angaben des Landkreis Nienburg haben mehrere Gerichte ein Bleiberecht abgelehnt. Deswegen habe es keine Alternative zur Abschiebung gegeben. Nur die 19-jährige Tochter darf in Deutschland bleiben, sie hat ein Aufenthaltsrecht bekommen.
Die Unterstützer der Familie, darunter Freunde, Schulleitung, Arbeitgeber und Gemeinde, werfen dem Land Niedersachsen vor, Menschen willkürlich abzuschieben. Bereits im August 2006 war die Familie von der Abschiebung bedroht. Damals flüchtete sie sich ein halbes Jahr ins Kirchenasyl. Der Unterstützerkreis in der Kirche will nun über Konsequenzen aus dem Fall beraten.
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